Ein Mann mit Handy am Steuer

BASt-Studie zur Verkehrssicherheit 2015: Ablenkungswirkung fahrfremder Tätigkeiten

Die Durchführung fahrfremder Tätigkeiten während des Autofahrens stellt ein potentielles Risiko auf deutschen Straßen dar. Unaufmerksamkeit und Ablenkung beeinträchtigen die Verkehrssicherheit und spielen nach der amtlichen Unfallstatistik bei einer Vielzahl von Unfällen eine Rolle.

  • In Österreich sind 16 % aller Unfälle primär durch Ablenkung verursacht (Unfallstatistik 2011, Österreichisches Bundesministerium des Innern).
  • Schweizer Statistiken belegen, dass Unaufmerksamkeit und Ablenkung 17 – 27 % aller Unfälle zumindest mitverursachen (Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung 2011).
  • Unfallstatistiken aus den USA zeigen, dass 16 % aller Unfälle mit Todesfolge und 21 % aller Unfälle mit Verletzten durch Ablenkung beeinflusst sind (National Highway Traffic Safety Association Feb. 2014).

Unter „Ablenkung“ versteht man eine potentielle Auswirkung fahrfremder Tätigkeiten, die unmittelbar mit negativen Folgen für die Fahrleistung und die Fahrsicherheit verbunden sind. Das in zahlreichen Studien belegte Ablenkungsrisiko beim Telefonieren während der Fahrt führte zur Regelung im § 23, Abs. 1a, Satz 1 der Straßenverkehrsordnung, der dem Fahrer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Telefon bzw. den Hörer aufnimmt oder hält.

Die Studienergebnisse im Detail

Die umfassendste Fahrerverhaltensbefragung aus den USA zeigt, dass 35 % der Autofahrer ihr Smartphone während der Fahrt nutzen, davon 89 % für Telefongespräche, 68 % zur Navigation, 39 % für SMS und 31 % für den Zugriff aufs Internet. 14 % aller Fahrer und 48 % der Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren schreiben während der Fahrt Textnachrichten (Owens, 2011).

Besonders das Schreiben von Textnachrichten, aber auch sonstige visuelle Ablenkungen beeinflussen die Fahrleistung, insbesondere im Hinblick auf Spurhaltung (Kollision mit dem Gegenverkehr, Abkommen von der Fahrbahn). Auch „kognitiv-taktische“ Fehler (falsche Fahrstreifenwahl, Missachtung der Vorfahrt, fehlerhaftes Blinken) treten in diesen Fällen vermehrt auf. Weniger sicherheitsrelevant sind dagegen die Auswirkungen im Hinblick auf den Abstand zum Vordermann. Abgelenkte Fahrer fahren nämlich in der Regel langsamer und halten eine größeren Abstand zum Vordermann. Teilweise wird aber auch so langsam gefahren, dass es der Situation nicht mehr angepasst ist, was zusätzliche Unfallrisiken und Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit hervorruft. Personen, die abgelenkt sind, haben aber bei plötzlich auftretenden kritischen Ereignissen auch die höchsten Reaktionszeiten.

Entscheidend für die Fahrleistung ist das Blickverhalten, also die visuelle Aufmerksamkeitszuwendung auf eine Smartphone-Tätigkeit. Je mehr und je länger Blicke zur Bedienung des Smartphones notwendig sind, desto stärker wird die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Besonders negativ wirken sich hier das Verfassen einer SMS oder das Lesen einer Nachrichten-App aus, die eine Gesamtblickabwendungsdauer von ca. 25 sec sowie eine mittlere Einzelblickdauer von 2 sec (mit einzelnen Blickabwendungen bis zu 6 sec) benötigen. Bei im Fahrzeug integrierten Lösungen (mit dem Fahrzeug gekoppelte Smartphones, z. B über Bluetooth, sowie Sprachsteuerung und Vorlesefunktion) reduziert sich die Gesamtblickabwendungsdauer auf rund 6 sec und die mittlere Einzelblickdauer auf 1 sec (mit einzelnen Blickabwendungen bis zu 3 sec). Bei 50 km/h legt man während einer Blickabwendung von 3 sec eine Wegstrecke von 41 m und bei einer Blickabwendung von 6 sec immerhin eine solche von 83 m zurück, ohne Sichtkontakt zur Straße zu haben. Bei 100 km/h sind dies bereits 83 m und 167 m im „Blindflug“.

Mehrere Studien empfehlen daher, durch spezifische Smartphone-Applikationen den Zugang zu bestimmten Funktionen während der Fahrt zu unterbinden. Zu beachten ist bei den Ergebnissen der Studien allerdings der Aspekt der „Selbstregulierung“. Viele Fahrer konzentrieren im realen Straßenverkehr ihre Aufmerksamkeit in kritischen Verkehrssituationen eher auf die eigentliche Fahraufgabe und beschäftigen sich nur in weniger kritischen Situationen stärker mit fahrfremden Tätigkeiten wie der Smartphonenutzung. Im Innenstadtbereich funktioniert dies jedoch in den wenigsten Fällen.

Folgerungen aus der Studie

Die Benutzung von Smartphones während des Autofahrens führt generell zu einem Anstieg der Fahrfehler und zu einer verschlechterten Fahrleistung. Vor allem die Spurhaltung sowie „kognitiv-taktische“ Fahrmanöver sind davon betroffen. Einen wesentlichen Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben die Bedienmöglichkeiten des Smartphones. Bei Sprachsteuerung, Vorlesefunktion und dem Verzicht auf komplex aufgebaute Informationen mit viel Fließtext lassen sich die Beeinträchtigungen deutlich verringern.

Die Benutzung von nicht ins Fahrzeug integrierten Smartphones mit hohen visuell-motorischen Anforderungen (Verfassen von Textnachrichten oder E-Mails, Lesen von komplex gestalteten Seiten oder solchen mit umfangreichem Text) werden den Anforderungen des heutigen Straßenverkehrs nicht mehr gerecht. Derartige Aktivitäten sollten deshalb im fahrenden Auto nicht mehr möglich sein. Applikationen zur Einbindung von Smartphones in das Kommunikationssystem des Fahrzeuges können jedoch die Ablenkung für den Fahrer deutlich reduzieren und so geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um ausgewählte Aktivitäten auch während der Fahrt mit dem Smartphone ausführen zu können. Systeme, die bei einem Unfall über das Smartphone einen Notruf absetzen können, können in diesen Fällen sogar einen positiven Beitrag für die Verkehrssicherheit leisten.

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